Das was ist, ist,
theatre performance, 20 min, Theater Drachengasse Vienna,
in the context of the Newcomer Award “Und immer ist Sturm“ May–June 2017,
together with Charlotte Bohn and Barbara Juch
The performance DAS WAS IST, IST is the result of an intense research on and around the clitoris, or rather: on the repeated “discoveries” of the clitoris and the clitoral orgasm in public discourses. Out of frustration with ongoing mystifications of the female* orgasm, we wanted to hear figures and perspectives from different centuries and different spheres. On the stage, we each played different roles, among them discoverer and discoveree.
The script was inspired by current researches and trends (e.g. the website OMGYES which is presenting strategies for orgasms, based on numerous interviews and exchanges with women*), myths (in different cultures, showing the vulva was believed to scare off demons), forgotten stories (like the work of Marie Bonaparte on clitoral anatomy), as well as personal experiences (“Has my grandmother ever had an orgasm?“)
The stage design was composed out of five curtains, each installed behind each other. The lifting of one curtain exposed nothing more than: another curtain – a reference to the re- and re- and re-discoveries of the clitoris, not only by so-called scientists, but also by continuous generations of women* who each had to start from scratch again.
idea, script, directing, performance, stage design
Charlotte Bohn
Barbara Juch
Franzis Kabisch
costume and set design assistance
Malu Blume
some of our research references
Cunt Coloring Book by Tee Corinne
Isabella Rossellini's 'Green Porno'
Sophia Wallace with her Cliteracy project
Austrian newspaper article about the futility of the clitoris from an evolutionist perspective
video still from Renate Lorenz' and Pauline Boudry's installation 'Opaque'
Marie Bonaparte, clitoris researcher
first 3D printing model of a clitoris
excerpts from the script
Der Anfang verzögert sich. Hinter der Bühne poltert es. Eine Performerin tritt von der Seite auf und stellt sich vor den noch geschlossenen Vorhang:
Herzlich Willkommen. Wie schön, dass ihr da seid. Bevor „Das was ist, ist“ beginnt, muss ich euch mitteilen, dass eine unserer Performerinnen heute nicht dabei sein wird. Sie kann nämlich in den 20 Minuten, die das Stück dauern wird, nicht kommen. Also, sie ist schon auf dem Weg hierher. Aber diese 20 Minuten sind einfach viel zu kurz für sie, das schafft sie nicht. Aber das macht nichts. Wir freuen uns, dass ihr da seid. Wir freuen uns auf die nächsten 20 Minuten. Und wünschen euch viel Spaß mit „Das was ist, ist“.
macht 1. Vorhang auf
[...]
kein Drehbuch
kein Skript
kein Plan
keine Anleitung
keine Auskunft
keine Hotline
kein Buch
kein Lexikon
kein Manual
keine Einführung
keine Demonstration
keine Ausbildung
Wir haben uns das alles selber beigebracht.
[...]
Hallo. Guten Abend. Mein Name ist Marie Bonaparte. Ich weiß gar nicht, ob ich Ihnen allen ein Begriff bin. Vielleicht ganz kurz zu mir: ich hab zunächst als Hysterikerin gearbeitet, war dann Psychoanalytikerin, dabei auch Schülerin Sigmund Freuds. Zu dieser Zeit habe ich viel in Wien geforscht und freu mich auch sehr, heute wieder hier sein zu können. Ja und jetzt möchte ich mich mit Ihnen wieder ganz von vorne anfangen – und zwar: im 1. Jahrhundert.
1. Jahrhundert – Soranus von Ephesus, Autor des Werks Gynäkologie, entdeckt die Klitoris
2. Jahrhundert – der griechische Arzt Rufus entdeckt die Klitoris und nennt das Stimulieren der Klitoris „klitorieren“
1559, Rom – der Anatomie-Forscher und Arzt Matteo Realdo Colombo entdeckt die Klitoris
1561, nur zwei Jahre später, Padua – der Arzt und Botaniker Gabriele Fallopio entdeckt die Klitoris
1593 – der Anwalt P. Smith entdeckt im Prozess einer Hexen-Verurteilung die Klitoris. Er sieht in ihr eine Zitze des Teufels und damit die Schuld der Hexe als bewiesen
1672 – der niederländische Arzt und Forscher Reinier de Graaf entdeckt die Klitoris und einen sensiblen Punkt an der oberen Scheidenwand, der in den 1950ern von Ernst Gräfenberg als G-Punkt markiert wird
1844 – der deutsche Anatomist Georg Ludwig Kobelt entdeckt die Klitoris mitsamt ihren inneren Schenkeln
1924 – Marie Bonaparte, äh, das bin ich, entdeckt den Zusammenhang der Lage der Klitoris und der Möglichkeit, durch Penetration zum Orgasmus zu kommen. Weil ich angenommen habe, dass ein eher kurzer Abstand erfolgsversprechender ist, hab ich Operationen durchführen lassen, in denen die Klitoris näher zum vaginalen Eingang gerückt wird.
1987 – die Harvard-Absolventin und Medizinforscherin Josephine Lowndes Sevely entdeckt die Klitoris und die Lowndes-Kronen, die sie nach sich benennt, dem ersten Genital-Teil nach einer weiblichen Entdeckerin. Zitat: „Auch Männer haben eine Klitoris.“
und 1998 – ein australisches Forschungsteam Team unter der Leitung von Helen O’Connell entdeckt die Klitoris in ihrer gesamten Größe und findet heraus, dass sie 10x größer ist, als Menschen gemeinhin glauben, und 2x größer als Anatomie-Bücher sie darstellen!
Ja, vielen Dank. Das war’s soweit von mir. Ein kurzer Ritt durch die lineare Geschichte. Willkommen zurück im 21. Jahrhundert.
Das was ist, ist,
theatre performance, 20 min, Theater Drachengasse Vienna,
in the context of the Newcomer Award “Und immer ist Sturm“ May–June 2017,
together with Charlotte Bohn and Barbara Juch
The performance DAS WAS IST, IST is the result of an intense research on and around the clitoris, or rather: on the repeated “discoveries” of the clitoris and the clitoral orgasm in public discourses. Out of frustration with ongoing mystifications of the female* orgasm, we wanted to hear figures and perspectives from different centuries and different spheres. On the stage, we each played different roles, among them discoverer and discoveree.
The script was inspired by current researches and trends (e.g. the website OMGYES which is presenting strategies for orgasms, based on numerous interviews and exchanges with women*), myths (in different cultures, showing the vulva was believed to scare off demons), forgotten stories (like the work of Marie Bonaparte on clitoral anatomy), as well as personal experiences (“Has my grandmother ever had an orgasm?“)
The stage design was composed out of five curtains, each installed behind each other. The lifting of one curtain exposed nothing more than: another curtain – a reference to the re- and re- and re-discoveries of the clitoris, not only by so-called scientists, but also by continuous generations of women* who each had to start from scratch again.
idea, script, directing, performance, stage design
Charlotte Bohn
Barbara Juch
Franzis Kabisch
costume and set design assistance
Malu Blume
some of our research references
Isabella Rossellini's 'Green Porno'
Cunt Coloring Book by Tee Corinne
Sophia Wallace with her Cliteracy project
Marie Bonaparte, clitoris researcher
Austrian newspaper article about the futility of the clitoris from an evolutionist perspective
video still from Renate Lorenz' and Pauline Boudry's installation 'Opaque'
first 3D printing model of a clitoris
excerpts from the script
Der Anfang verzögert sich. Hinter der Bühne poltert es. Eine Performerin tritt von der Seite auf und stellt sich vor den noch geschlossenen Vorhang:
Herzlich Willkommen. Wie schön, dass ihr da seid. Bevor „Das was ist, ist“ beginnt, muss ich euch mitteilen, dass eine unserer Performerinnen heute nicht dabei sein wird. Sie kann nämlich in den 20 Minuten, die das Stück dauern wird, nicht kommen. Also, sie ist schon auf dem Weg hierher. Aber diese 20 Minuten sind einfach viel zu kurz für sie, das schafft sie nicht. Aber das macht nichts. Wir freuen uns, dass ihr da seid. Wir freuen uns auf die nächsten 20 Minuten. Und wünschen euch viel Spaß mit „Das was ist, ist“.
macht 1. Vorhang auf
[...]
kein Drehbuch
kein Skript
kein Plan
keine Anleitung
keine Auskunft
keine Hotline
kein Buch
kein Lexikon
kein Manual
keine Einführung
keine Demonstration
keine Ausbildung
Wir haben uns das alles selber beigebracht.
[...]
Hallo. Guten Abend. Mein Name ist Marie Bonaparte. Ich weiß gar nicht, ob ich Ihnen allen ein Begriff bin. Vielleicht ganz kurz zu mir: ich hab zunächst als Hysterikerin gearbeitet, war dann Psychoanalytikerin, dabei auch Schülerin Sigmund Freuds. Zu dieser Zeit habe ich viel in Wien geforscht und freu mich auch sehr, heute wieder hier sein zu können. Ja und jetzt möchte ich mich mit Ihnen wieder ganz von vorne anfangen – und zwar: im 1. Jahrhundert.
1. Jahrhundert – Soranus von Ephesus, Autor des Werks Gynäkologie, entdeckt die Klitoris
2. Jahrhundert – der griechische Arzt Rufus entdeckt die Klitoris und nennt das Stimulieren der Klitoris „klitorieren“
1559, Rom – der Anatomie-Forscher und Arzt Matteo Realdo Colombo entdeckt die Klitoris
1561, nur zwei Jahre später, Padua – der Arzt und Botaniker Gabriele Fallopio entdeckt die Klitoris
1593 – der Anwalt P. Smith entdeckt im Prozess einer Hexen-Verurteilung die Klitoris. Er sieht in ihr eine Zitze des Teufels und damit die Schuld der Hexe als bewiesen
1672 – der niederländische Arzt und Forscher Reinier de Graaf entdeckt die Klitoris und einen sensiblen Punkt an der oberen Scheidenwand, der in den 1950ern von Ernst Gräfenberg als G-Punkt markiert wird
1844 – der deutsche Anatomist Georg Ludwig Kobelt entdeckt die Klitoris mitsamt ihren inneren Schenkeln
1924 – Marie Bonaparte, äh, das bin ich, entdeckt den Zusammenhang der Lage der Klitoris und der Möglichkeit, durch Penetration zum Orgasmus zu kommen. Weil ich angenommen habe, dass ein eher kurzer Abstand erfolgsversprechender ist, hab ich Operationen durchführen lassen, in denen die Klitoris näher zum vaginalen Eingang gerückt wird.
1987 – die Harvard-Absolventin und Medizinforscherin Josephine Lowndes Sevely entdeckt die Klitoris und die Lowndes-Kronen, die sie nach sich benennt, dem ersten Genital-Teil nach einer weiblichen Entdeckerin. Zitat: „Auch Männer haben eine Klitoris.“
und 1998 – ein australisches Forschungsteam Team unter der Leitung von Helen O’Connell entdeckt die Klitoris in ihrer gesamten Größe und findet heraus, dass sie 10x größer ist, als Menschen gemeinhin glauben, und 2x größer als Anatomie-Bücher sie darstellen!
Ja, vielen Dank. Das war’s soweit von mir. Ein kurzer Ritt durch die lineare Geschichte. Willkommen zurück im 21. Jahrhundert.